Der nördliche Teil der schwedischen Provinz Norrbotten ist eine schöne und karge
Landschaft. Nördlich des 68. Breitengrades fließt der Kelojoki in den
Porattomaajärvi. Er wird von allen Seiten des Waldes eingeengt. Dorthin führen
eigentlich keine Wege, sondern nur ein Pfad. Dieses Binnenland ist fast ebenso
karg wie der Strand. Bauerngehöfte gibt es so gut wie keine. Die Ufer sind
düster und karg, fast zum Schaudern. Dort, im immer stillstehenden innersten
Teil einer Bucht, die sich als ein so schmaler Sund fortsetzt, dass man nur mit
äußerster Anstrengung ein Boot hindurch ziehen kann, wenn man den um die
Landzunge führenden Wasserweg abkürzen will, erheben sich steile Bergwände aus
dem dichten Schilf. Aus den Wänden treten vielförmige, merkwürdige Steinblöcke
hervor, grau und mit Moos bewachsen, bald vierkantig und freistehend, bald wie
feste Absätze oder Treppen. Stellenweise sind die Einschnitte zwischen ihnen so
klein, dass ein Mensch nur mit Mühe hindurchschlüpfen und auf den Gipfel der
bewaldeten Höhe steigen kann.
An diesen steilen und steinigen Abhängen wächst die Birke schmal und dürftig,
während sie sich weiter unten zu mächtigen Riesen erhebt. Als Gefährten der
Birke sieht man oft die traurig hängende Eberesche, am häufigsten natürlich die
Kiefer. Die Bergkiefer ist um so krummer, auf je steileren Abhängen sie wächst.
Dort ragen die Wipfel einiger völlig verdorrter Föhren gleich dunklen Masten in
die Luft. Dort wieder hat der Wind einen Baum schief gedreht. Daneben warf er
einen Baum so, dass der Wurzelstock wie ein schwarz züngelnder Schlangenhaufen
nach oben greift, der Wipfel aber gegen den Abgrund zu halb in der Luft hängt.
Und doch lebt die armselige Kiefer.
Ein Fremder würde sich hier in diesen Labyrinthen verirren. Aber wer die
Wasserwege kennt und über diesen kürzesten Weg zum offenen See will, findet mit
Hindernissen dorthin, breitere Stellen passierend, die Teichen ähneln, in denen
grünliches Wasser in silbernen Streifen schimmert. Bald kommt man zum offenen
See. Das freie Wasser öffnet sich hinter einer neuen Landzunge, die aus der
Tiefe steil wie eine Wand emporsteigt, wohl gute zehn Meter. An dieser Wand gibt
es keinerlei Einschnitte und Absätze.
Unten am Wasser herrscht stellenweise immerwährend Schatten. Sonnenstrahlen
dringen dort nie in die Tiefe. Und auf den Gipfeln der Berge, in den sausenden
Kiefernwäldern der Schrei der Falken. Es scheint ein niedriger Strand zu sein,
denn das gegenüberliegende Festland ist wenigstens 1 Kilometer entfernt. Dort
sieht man auf dem anderen Ufer des schmalen und schilfigen Sundes merkwürdige,
große Steine ganz am Rande des Wassers. Das sind die Ufer der
Porattomaajärvi-Landzunge. Die Wasserfläche dieses großen Binnensees hier ist
nicht sehr groß. Die Breite ergibt zuweilen kaum vier Kilometer, und da die
zahlreichen Inseln und Landzungen sie noch stellenweise einengen, sehen sie
bisweilen fast wie ein Fluss oder das ruhige Wasser vor einer Stromschnelle aus.
Aber schön ist diese karge Gegend. Schön auch im Herbst, falls es nicht Tage
hindurch regnet, oder falls es nicht so stürmt, dass die Seen ein einziges
weißes Hüpfen und Schäumen der Brandung an den Klippen. Aber an ruhigen
Herbsttagen, an stillen und herbstlich dunstigen Tagen ist der blassblaue
Porattomaajärvi wunderschön. Hinter ihm schimmern die gelben Birken von den
schon ins Grau spielenden Höhenzügen. Nur an den felsigen Ufern der Buchten
leuchten die Blätter der Espen dunkelrot wie das wildeste Blut. Später, wenn die
Nacht dunkler wird, versinken die Landzungen in den schwarzen Schatten. Nur ein
gelber Glanz schimmert lange am Himmelssaum und führt Bäume und Felsen als
Schattenbilder vor.
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