Mitten in Lappland, einige Kilometer südlich vom Polarkreis, (66°03' N, 17°53'
O) liegt die Kommune Arjeplog. Wenn in der nordschwedischen Gemeinde (flächenmäßig so groß wie
Holland) die Eisschicht des Hornavansees (im Dorf nennt man ihn Bosch-See)
Ende November betonhart geworden ist, erwartet man die große weite Welt.
Der See gehört im Winter den Testfahrern. Die Teststrecken auf den zugefrorenen Seen
im Testdreieck zwischen Arjeplog, Arvidsjaur und Slagnäs haben eine Gesamtlänge von 500 km. David Sundström hat vor 25 Jahren
entdeckt, wenn man Eis nicht pflegt, wird es nicht dick. Wenn das Eis 8 cm
dick ist, kommt in der Regel der erste Schnee, der dann sofort weggeräumt
wird. Wenn man nämlich den Schnee liegen lässt, kommt die Kälte nicht durch,
denn der Schnee isoliert. Täglich kontrollieren die Icemaker die Belastbarkeit der Seeoberfläche. Das muss sein, denn seine
Kundschaft verlangt bestes Eis. Neben einer 20 Tonnen schweren Schneefräse mit
470 PS starken V12-Triebwerk werden auch Schneeräumer, Bodenfräsen, Gebläse
und Poliermaschinen eingesetzt. Die Dicke der Eisschicht wird täglich mit
einem Eisbohrer und einem Radarmessgerät überprüft.
Wenn mit dem tiefen Frost die Testfahrer kommen, rücken die Einheimischen
zusammen. Ihre Häuser werden in dieser Zeit für gutes Geld an die Testfahrer
aus Deutschland, Frankreich, Italien und Korea vermietet. Die wichtigsten
Wirtschaftszweige der Gemeinde sind Autotests und Fremdenverkehr sowie die
traditionelle Rentierzucht und Forstwirtschaft. Die Bleigrube hat schon lange dicht gemacht
und das Sägewerk wurde stillgelegt.
Die Hochsaison beginnt, wenn die
Ingenieure von BMW, Bosch Alfa Romeo, Audi, Jaguar und Mercedes mit ihren
Charterflugzeugen auf dem Airport landen. In den Hotels nistet sich
internationales Publikum ein. Die Restaurants mühen sich mit Sauerbraten und
Pizza ab. Von jetzt an ist hier am Ende der Welt alles anders als am Ende
der Welt.
In der unendlichen Weite Nordschwedens, wo mehr
Rentiere als Menschen leben,
müssen die Vier-, Sechs-, Acht- und Zwölfzylinder das demonstrieren, was
nicht einmal mehr Wölfe tun – das Heulen der Triebwerke gehört zu Arjeplog
wie das Rauschen zu den Niagarafällen. Die Testfahrten bei grimmiger Kälte
auf den zugefrorenen Seen und verschneiten Straßen sind zum einen ein echter
Kälte-Langzeittest unter extremen Kältebedingungen, zum anderen eine
besondere Herausforderung für neue Fahrwerks-, Antriebs- und
Antiblockiersysteme.
Als vor 25 Jahren die ersten Autotester in die Einsamkeit des hohen Nordens
kamen, hatten die Einwohner noch ungläubig geschaut. Heute werden die etwa
500 Testfahrer und Ingenieure von der eigens für sie auf englisch
produzierten 'Arjeplog Times' welcome, willkommen und benvenuti geheißen,
immerhin lassen die Autofirmen jede Saison rund 450 Millionen Kronen in der
Gemeinde.
Der Dank der Gemeindeväter ist den Autokonzernen sicher - keine strengen
Umweltschutzauflagen behindern die Fahrwerk- und Bremstests in der sensiblen
nordschwedischen Natur, allzu neugierige Gäste werden den Testern mit
amtlicher Hilfe vom Leibe gehalten. Auf den Landstraßen in der Umgebung ist so
wenig Verkehr, dass dort oft mehr Autos im Tarnanzug als normale Pkw
unterwegs sind. Von außen sehen die Testautos vertraut aus, doch innen stecken sie voll mit
Technik, die hier unter extremer Kälte getestet werden. Auf der Dorfstraße
huschen die Erlkönige (Prototypen) vorbei - neue Modelle notdürftig
getarnt. Die Autofirmen sind immer auf der Hut vor neugierigen Fotografen.
Für das erste Bild eines neuen Autos zahlt die Presse bis zu 70.000 Euro.
Fremde kommen in Arjeplog schnell in den Ruf von Spionen. Manche Neulinge werden nur nachts getestet und in geschlossenen Lastwagen
hin- und herbewegt.
Am Abend kommen sich High-Tech und Tradition näher, wenn in der Disco des
Hotels Silverhatten zarte Bande zwischen den weltgewandten Autotechnikern
vom Kontinent und den Mädchen des Ortes geknüpft werden - aber auch dies
unter großer Geheimhaltung, denn die einheimischen Traktorfahrer und
Waldarbeiter haben was gegen die flotten Jungs aus Bologna und Stuttgart.
BMW eröffnete hier im März 2006 für 16 Millionen Euro ein eigenes Testzentrum,
was für die Gemeinde einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt.
Mercedes-AMG bietet ihren Kunden von Januar bis März in Arjeplog ein
anspruchsvolles Fahrertraining mit landestypischem Lifestyle-Flair, das sich
wachsender Beliebtheit erfreut.
Im Dezember 2007 eröffnete der Schneemobilhersteller Polaris sein 'Experience
Center'. Dort können die Besucher alle Modelle testen und sich beim
Fahren richtig austoben. Wenn der Winter endet und es Richtung Sommer geht,
steigt Polaris vom Motorschlitten auf Quad's und den Monster-Qud Ranger RZR
um. Die Icemaker bleiben in der Branche und arbeiten dann bei Straßenbauunternehmen bis der nächste
Winter kommt.

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