Die Stromschnellen des Kalixälven sind ein magisches Naturschauspiel und ein
Paradies für Fliegenfischer.
Mit der Angelrute in der rechten Hand bewege ich mich ziemlich unsicher auf das
Flussufer zu. Ich habe keine Ahnung, ob meine Wathose aus Neopren mit den
drangehängten Stiefeln überhaupt wasserdicht ist. Geschweige denn, worauf es
eigentlich ankommt beim Fliegenfischen. Doch dafür gibt es ja Siegfried
Jeschewsky, den
Fisch- und
Angelprofi aus Bålsta.
Er hat meine Montur vorher genau geprüft, vor allem die Reißleinen des
Sicherheitskragens getestet. Gegen ungewollte Fehlwürfe anderer Angler gab er
mir extra eine Sonnenbrille, damit spitze Köderhaken nicht böse ins Auge gehen
können.
Im Fluss stehend erkunde ich nun Schritt für Schritt den steinigen, rutschigen
Untergrund des Kalixälven. Immer tiefer wage ich mich hinein, bis die Strömung
spürbar zunimmt und die Balance zum Kunststück wird. Die kleinste Veränderung
des Standpunktes und ich torkle umher, als hätte ich zuviel Wodka getrunken. Wer
hier nicht fest mit beiden Beinen auf Grund stehen kann, hat schlechte Karten.
Neben den Lachsflüssen Tornedalen, Tärendöälven, Lainioälven, Piteälven und Muonioälven
umgibt den 450 km langen Kalixälven vom Kebnekaisemassiv in Kiruna bis zur
Meeresmündung in Kalix eine nahezu unberührte Uferlandschaft im Grenzland zu
Finnland. Sogar die Lachse laichen hier im glasklaren Wasser der lappländischen
Flüsse.
Inzwischen stehe ich aufrecht im reißenden Kalixälven. Meine Beine umspült
Wasser, dessen Temperatur um die knappe 10° Grad liegen dürfte, aber was soll's.
"Flic und Fly", sagt Siegfried, der schon seit geraumer Zeit bis zu den
Oberschenkeln kerzengerade und bombensicher im Wasser steht, während er den
"geraden Grundwurf" demonstriert. Zuerst geht's "flic" nach oben mit der Rute,
Armstellung ist bei ein Uhr, die Leine saust nach hinten. Auf "fly" kommt sie
über den Kopf nach vorne und landet bei der Elf-Uhr-Stellung auf der
Wasseroberfläche. "Das ist eigentlich alles", behauptet Siegfried. Ein paar
Trockenübungen auf der Wiese, das Gehen im Fluss und das Werfen. In drei
Stunden, hat man die Grundlagen drauf. Doch dann braucht man ein Leben, um zu
üben.
Mit den verschiedenen bunten Köderfliegen, die jeder Profi in kleinen
Blechschachteln mit sich trägt, werden die Insekten imitiert. Die älteste
Köderform, die Nassfliege, täuscht eine tote Fliege vor, die unter Wasser dahin
treibt. Zum Trockenfliegenfischen der Lachse werden Köder aus Fell, Hühner-,
Enten- oder Fasanenfedern verwendet, die gefettet auf dem Wasser schwimmen und
Ameisen, Käfern oder Insekten ähnlich sind. Mit trickreichen Wurfvarianten -
horizontal, vertikal oder in großen Wurfschlaufen - bekommt man auch schwer
erreichbare Fische an die Angel. Mir genügt es fürs Erste, das ich mich im Fluss
bewegen und dabei die Rute halten kann.
Erst jetzt empfinde ich ein starkes Natur-pur-Gefühl. Eine ganz neue Perspektive
tut sich auf. Plötzlich ist das Gurgeln und Glucksen des Wassers und das Surren
der Insekten zu hören. Das zufällige Spiel der Sonnenreflexe auf den Wellen, mal
hell, mal dunkel, wirkt meditativ. "Fliegenfischen in der ländlichen
Abgelegenheit der Natur", erklärt Siegfried, "bedeutet eine geistige und
körperliche Veränderung. Gestresste Menschen schalten dabei vollkommen ab und
entspannen." Zudem werden die Fische unblutig gefangen, dann sorgfältig vom
Haken gelassen und wieder ins Wasser geworfen. Nach gut drei Stunden beherrsche
ich das Werfen der Rute und das Gehen im Fluss schon ganz sicher. Deswegen
dauert es auch gar nicht lange, und es ziepst ein kleiner Junglachs an meiner
Leine. Doch bei seinem Anblick gibt es nur eine Entscheidung: Zurück in den
Fluss.
Reiseberichte | Am
Porattomaajärvi in Norrbotten | Wildwasserpaddeln am Lainioälven |