Teil 5: Von Svolvær zum Campingplatz ANNAMO
Für mich ist 4:00 Uhr eine schlimme Zeit. Kein Schlaf, recht kühl und der
doofe Knöchel. Ich sehne mich dem Ende der Radtour entgegen. Eine Strecke
von 2350 km liegt nun hinter mir. Ich bin kein Held, oh nein, oh wenn
mich doch nur einer fragen würde, ob er mich mitnehmen könnte.
Ich durchquere den 2200 Meter langen Sigerfjordtunnel, fahre 30 km auf der
am Morgen noch leeren E 10 und weiche dann auf eine Nebenstraße aus, die
mir fast 15 km Ersparnis verspricht. Sie ist einmalig schön. Aber das
lässt 3 Dinge nicht übersehen: erstens, es beginnt wieder zu regnen;
zweitens, als ich plötzlich vor einem geöffneten Schlagbaum stehe, weiß
ich, es geht wieder hoch hinaus und drittens schließlich, kommt auf der
gesamten Strecke keine einzige Möglichkeit, sich gegen das Wetter
geschützt unterzustellen. Ein wenig rühmliches Ende meiner Fahrt zeichnet sich ab.
Völlig übermüdet, mit nicht mehr zu benutzendem Knöchel und fast 3
Zentimeter Wasser in den Schuhen, stehe ich dann wieder kurz vor der E 10
auf der bis Grovfjord noch 33 km zu fahren wären. Es ist 19:00 Uhr und ich
kann und ich will nicht mehr. Schon stundenlang habe ich überlegt und dann
tue ich es: Paul, hier ist Wolfgang, kannst du mich mit deinem Auto
abholen? Gemeinsam mit Eberhard sammelt er mich eine halbe Stunde später
an einer Tankstelle auf. Ich habe diesen Film allein gedreht, jedes Bild. Aber im strömenden Regen
kann ich mich nicht aufraffen, mein jammervolles Aufgeben, 33 km vor dem
Ende in die Kamera zu bringen. Bei Paul auf dem Campingplatz angekommen, empfinde ich trotzdem eine
diebische Freude. Ein Bett, Kaffee, ein Whisky, Essen und ein ohnmächtiger
Schlaf. 2473 km zeigt mein Tourentacho. Am nächsten Tag kommt ein
Fischhändler mit all seinen Delikatessen. Frischer Fisch aus dem Atlantik.
Ich genieße diese Atmosphäre und bin ein guter Kunde. Alles ist perfekt.
Eberhard ist mit seinem Auto hier, um mich abzuholen. Mein Freund Elimar
muss eine Wette einlösen - Fisch essen. Wir kennen uns 13 Jahre, aber das
gab es noch nie. Hier, bei meinen Freunden, auf dem Campingplatz
ANNAMO in Grovfjord nahe
Narvik endet meine Reise. 33 Tage war ich unterwegs. Ich weiß es, ich bin
wirklich kein guter Radfahrer, das wusste ich eigentlich auch vorher. Ich
bin nicht ohne jeden Stolz, diese Zeit ausgehalten und durchgestanden zu
haben. Ich habe unglaublich schöne Momente erlebt, auch Momente, wie in
dem Film zu sehen, auf die ich gerne verzichtet hätte. Auch jetzt regnet
es in Strömen. Hinter mir steht ein Zelt - ein anderer Radfahrer kann sich
verständlicherweise nicht entschließen, heute bei diesem Wetter weiterzufahren. Meine Reise
jedenfalls ist beendet. Im Kreis meiner Freunde hatte ich gestern einen
wunderbaren Abend. Es ist ein unglaubliches Gefühl, nach 33 Tagen
Alleinsein in den Kreis seiner Freunde zurückzukommen und jetzt freue ich
mich auf zuhause. Jedem, der mit dem Gedanken spielt, eine solche Reise zu unternehmen, dem
kann ich im Grunde nur zuraten. Es ist ein sehr intensives Gefühl der
Auseinandersetzung mit sich selbst, dem Alleinsein mit der Natur, dem
Fertigwerden mit Problemen und viel Zeit gehabt zu haben, über die Dinge
des Lebens nachzudenken und zu wissen, was wirklich wesentlich und wichtig
ist. Der Lohn der Mühe ist schlank zu werden - ich habe über 6,5 kg
verloren. Eines steht fest - diese Reisen nach Skandinavien, ganz gleich welcher
Form, die werde ich nicht aufgeben. Es ist einfach eines der schönsten
Teile der Welt, noch sehr natürlich, noch wenig unverändert, noch sehr
sicher und eine Herausforderung in jeder Art und Weise. Egal, auch wenn es
jetzt regnet. Möglicherweise fahre ich 2007 noch mal so eine Tour. Eine andere Strecke - man
wird sehen.
Teil 1 |
Teil 2 |
Teil 3 |
Teil 4
|