An der Westküste Gotlands ragen kaum zugängliche Klippen 100
Meter steil aus dem Meer. Lärm und
strenger Geruch verraten hier gewaltige Vogelfelsen. Über 10.000 Trottellummen
(Uria aalge) brühten hier jedes Jahr in riesigen Kolonien auf nacktem
Fels. Die Gewässer um Gotland gehören zu den nahrungsreichsten der
Ostsee. So ist es nicht verwunderlich, dass sich gerade hier, die größten
Kolonien angesiedelt haben. Zwischen den Lummen in den tieferen Spalten brüten
die Torkalken (Alca torda torda). Der Abstand zum Nachbarn beträgt oft kaum 5 Zentimeter. Nur wer
sich durchsetzt, bekommt etwas mehr Platz.
Im Zentrum der Kolonie befinden sich die
Gelege. Jedes Paar hat nur ein 8 Zentimeter großes Ei und brütet es instinktiv dem Fels zugewandt.
Denn wo sich Scharen von Vögeln sammeln, sind auch Räuber, wie Silbermöwen nicht
weit. Ganz in der Nähe der steilen Felsen haben sie sich angesiedelt. Kein Ei
gleicht dem anderen völlig. Die Grundfarbe kann weiß, gelbgrün, grünlichblau,
grau, olivgrau und manchmal auch braun sein. Die Lummen drehen das Ei regelmäßig
um, damit die Wärme gleichmäßig verteilt wird und der Embryo nicht an der Schale
anwächst. Immer
wieder patrouillieren die Möwen an den Wänden entlang. Vielleicht gibt es ja bei
einer unaufmerksamen Lumme etwas zu holen. Nicht jeder Einsatz ist von Erfolg
gekrönt.
Wie bei allen Hochseevögeln sind die Füße der Vögel mit Schwimmhäuten
ausgestattet. Lummen und Alken gehen nur zum Brüten an Land und wirken dabei äußerst
unbeholfen. Als Hochseevögel sind sie allerdings hervorragende Schwimmer und
elegante Taucher. Sie gelten deshalb auch als die Pinguine des Nordens.
Zur
Paarung bedarf es allerdings einer festen Grundlage. Während der Brutzeit kommen
die Vögel in großen Schwärmen zusammen und sitzen auf Felsvorsprüngen und
Klippen so dicht beisammen, dass sie sich gegenseitig berühren. Torkalken leben zwar in
einer Einehe, aber mehr als die Hälfte der Weibchen nimmt es mit der Treue nicht
so genau. Die gelegentlichen Seitensprünge sorgen immer wieder für heftigen
Streit unter den Vögeln. Die Trollellummen brüten auf dem nackten Fels. Dabei
schieben sie das Ei auf ihre Füße, so dass es auch von unten gewärmt wird. Die
Eier haben eine etwas ungewöhnliche Form. Am schmaleren Ende laufen sie spitz
zu. Das hat den Vorteil, dass die Eier nicht von der Klippe herunterrollen,
sondern sich in einem sehr engen Kreis um die eigene Achse drehen. Nach 30 bis 35 Tagen Brutzeit löst sich die enge Sitzordnung
auf den Vogelfelsen langsam auf. Unter die Stimmen der Alkvögel mischen sich immer
öfter helle Laute – der Nachwuchs ist geschlüpft. Auf den Felsvorsprüngen ist es
noch enger geworden. Trottellummen können den Zeitpunkt der Geburt
synchronisieren. Fast alle Küken schlüpfen innerhalb von nur 10 Tagen. Die
Eltern schirmen sie instinktiv mit ihrem Körper ab. Ein Sturz aus der Wand wäre
tödlich. Noch haben die Kleinen nicht genügend Gefieder, um den
Aufprall abzufedern.
Während ein Elterteil aufpasst, ist das andere auf dem
Meer. Bis zu 30 Kilometer fliegen die Vögel auf die Ostsee hinaus. Vor allem
Heringe und Sprotten stehen auf dem Speiseplan. Raubmöwen versuchen, ihnen die
Fische abzujagen, die sie mühsam im Tauchgang gefangen haben und ihren Jungen
bringen wollen. Wenn der Partner zurückkommt,
wird er zunächst willkommen geheißen. Erst dann übergibt er das Fischchen dem
Küken.
3 Wochen nach dem Schlüpfen beginnen unter den wachsamen Augen
der Möwen die Vorbereitungen auf den großen Turn. Die Jungen können noch nicht
annähernd fliegen. Aber trotzdem geht es in einem mutigen Sprung 60 Meter hinab.
Einige von ihnen landen dabei jedoch in Felsspalten und kommen dort jämmerlich um.
98 Prozent der Küken überleben den Sprung und platschen ins Wasser, schütteln
sich kurz und schwimmen auf den Wellen zwischen den aufgeregten Altvögeln hin
und her. Haben die Eltern ihr Kind gefunden, schwimmen sie gemeinsam auf die
offene See.
Nicht nur die Seeadler
sehen es auf ihre Küken ab. Wer nicht rechtzeitig das Meer erreicht, wird schnell Opfer der Möwen. Auch sie
haben schließlich ein Nest mit Jungen zu versorgen. Die meisten Küken meiden die
gefährlichen Tagesstunden und warten geduldig auf den Einbruch der Nacht. Ein
Blick nach oben ist wichtig, denn Feinde hat dieser Vogel viele. Dieses
einmalige Naturschauspiel lockt jedes Jahr viele Vogelfreunde auf die Insel
Stora Karlsö. Wer diese Lummensprünge miterleben will, sollte aber eine
Übernachtung auf der Insel buchen, denn die Trottellummen springen nur in der
Abenddämmerung.
Nach ca. 10 Wochen auf dem Meer haben sich die Jungvögel genug Kraft angefressen
und können fliegen. Bis zum Spätherbst
bleiben die Alttieren bei ihren Kindern. Dann müssen
die Lummen allein zurecht kommen. Es dauert weitere drei bis vier Jahre, bis die
Vögel geschlechtsreif sind und selbst Nachwuchs bekommen. Auch diese Generation wird
dann eines Tages aus der Bruthöhle in die Tiefe springen.
Obwohl die Trottellummen an den unzugänglichsten Klippen brühten, hat man ihnen früher nachgestellt. Ende des 19. Jahrhunderts waren sie auf Gotland
fast ausgerottet. Strenger Schutz ließ die Zahl an der Ostsee wieder auf 20.000
Paare ansteigen.

Tordalken auf einem Felsvorsprung auf der Insel Stora Karlsö
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